Rituale und Gewohnheiten helfen uns, den Tag, das Jahr, sogar das ganze Leben zu strukturieren. Sie geben Halt, unterscheiden das Wesentliche vom Unwesentlichen und sorgen dafür, dass nichts Wichtiges vergessen wird.
Die Macht der Routine
Doch nicht nur das Besondere, die Rituale, gestalten unseren Alltag – fast noch mehr sind es die täglichen Gewohnheiten, die der Motor unseres Lebens sind. Meist werden diese „Kleinigkeiten“ in ihrer Wirkung gering geschätzt, weil wir nicht wahrnehmen, dass sie in ihrer Häufung, Tag für Tag, einfach enorm sind. Wenn jeden Tag nur ein Schritt gegangen wird, sind das nach einem Jahr immerhin 365 Schritte, nach zehn Jahren mehr als dreieinhalb Kilometer. Der Unterschied dazu: Diese Schritte werden ohne Mühe und Aufhebens getan, während dreieinhalb Kilometer am Stück doch einen gewissen Aufwand darstellen. Gewohnheiten sind kleine, leicht zu bewältigende Einheiten, die dennoch und gerade deshalb zu einem großen Ziel führen. Wir schaffen es nicht unbedingt immer jede Woche zweimal ins Yoga-Studio, weil meist etwas dazwischenkommt, wir uns müde fühlen, es regnet … aber wir schaffen es ohne Probleme, täglich einen Sonnengruß und ein Asana zu praktizieren, wenn wir es uns zur Gewohnheit gemacht haben. Diese zehn Minuten sind kein Aufwand – doch in ihrer Wirkung, wenn sie regelmäßig getan werden, mindestens so groß wie der Gang ins Studio.
Die Essenz von Gewohnheiten ist die Regelmäßigkeit; mit ihr steht und fällt alles. Eine Sache, die man sich oft vornimmt, aber doch nur gelegentlich tut, ist keine Gewohnheit – ebenso wenig eine Sache, bei der man regelmäßig „Ausnahmen“ macht. Das liegt daran, dass unser Gehirn erst durch tägliche (!) Wiederholungen Neues ins eigene „System“ integriert. Dominik Spenst schreibt: „Um das Leben zu verändern, muss man etwas verändern, das man täglich tut.“ Um mit kleinen, aber zuverlässig wirksamen Schritten mehr Glück und Zufriedenheit ins Leben zu holen, hat er eine Variante des klassischen Tagebuchs vorgelegt. Es braucht nur sechs Minuten am Tag, grundlegende Veränderungen zu initiieren: Morgens werden drei Dinge aufgeschrieben, für die man dankbar ist, und man überlegt, wie man den Tag „wunderbar“ gestalten kann; abends erfolgt dann eine kurze Selbstreflexion. Ergänzt mit einer wöchentlichen Herausforderung und Fragerunde sowie inspirierenden Zitaten stellt dieses Buch eine konkrete, sehr praktikable Maßnahme dar, basierend auf positiver Psychologie mit einer extrem unaufwändigen Gewohnheit maximale Ergebnisse zu erzielen. Ausreden gelten nicht mehr: Also einfach 65 Tage lang Tagebuch führen und schauen, was passiert.
Der Rhythmus des Alltags
In den 24 Stunden eines jeden Tages wechseln sich Phasen der Ruhe mit denen der Aktivität ab; Zeiten, die man für sich selbst braucht, und solche, die man anderen widmet. Man arbeitet unterschiedlich konzentriert, ist unterschiedlich entspannt oder leistungsbereit. Muss man zu ungünstiger Zeit eine bestimmte Sache erledigen, geht es nur schwer von der Hand und dauert länger, als wenn man sie im optimalen Zeitfenster absolvieren kann. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Morgen und dem Abend. Gerade die ersten Momente, nachdem man wieder ins Wachbewusstsein aufgetaucht ist, setzen die Intention für alles, was danach kommt. „Ein konzentrierter, produktiver, erfolgreicher Morgen zieht einen [ebensolchen] Tag und auf Dauer ein ebensolches Leben nach sich“, weiß Hal Elrod, der im Alter von 20 Jahren einen Unfall hatte, der ihn mit Geldnöten, klinischem Tod und der Aussicht, nie wieder gehen zu können, konfrontierte. Doch obwohl er am Boden lag, konnte er sich mit einem „simplen, aber revolutionären Vorgang“ doch das Leben erschaffen, von dem er träumte. Sein „Miracle Morning“ ist ein Instrument zur persönlichen Entwicklung, eine Methode, sich selbst aus Krisen herauszuholen, und ein Weg, innerhalb kürzester Zeit das ganze Leben umzukrempeln, so Elrod. In die erste Stunde des Tages legte er Meditation, Affirmationen, Visualisierungen, Sport, Lesen und Tagebuchschreiben – und konnte bald die Früchte seiner Arbeit ernten.
Wenn der Tag ausklingt, bietet sich dann die Gelegenheit, ihn mit einer besonderen Geste zu beenden. Es ist der ideale Zeitpunkt zur Selbstreflektion, die uns hilft, uns und unser Verhalten immer besser kennenzulernen – und bei Bedarf Korrekturen vorzunehmen. Die Auswahl an möglichen Routinen sind dabei völlig der eigenen Neigung überlassen. Wer nicht Tagebuch schreiben oder meditieren will, hat vielleicht Lust darauf, ein heißes Fußbad zu nehmen, sich eine aufmunternde Notiz an den Spiegel zu heften, die ihn am nächste Morgen begrüßen wird, oder ein Gläschen Wein zu genießen, während Musik läuft. Vor dem Fernseher einzuschlafen gilt dagegen nicht als Ritual.
Über die Autorin
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www.martinapahr.de