Helen MacDonald schreibt über ihr Leben mit einem Habicht.
Mit zwölf hat die Dichterin Helen Macdonald zum ersten Mal einen abgerichteten Habicht gesehen. Jetzt hat sie selbst einen daheim und schrieb einen Bestseller darüber, wie die beiden Freunde wurden. Hier ein Auszug aus ihrem Buch:
“Mir war klar, dass das Abrichten dieses Greifvogels nicht leicht werden würde. Habichte sind berüchtigtermaßen schwer zu zähmen. Einen Merlin kann man in ein paar Tagen zähmen. Den ersten Freiflug mit einem Harris Hawk, einem Wüstenbussard, konnte ich einmal nach nur vier Tagen wagen. Doch Habichte sind nervöse, empfindliche Vögel; es dauert sehr lange, sie davon zu überzeugen, dass man nicht der Feind ist.
Dabei ist „nervös“ natürlich nicht ganz das richtige Wort: Sie haben nur hochsensible Nervensysteme. Sie sind „nervös“, weil sie das Leben zehnmal schneller leben als wir und weil sie auf Reize buchstäblich ohne nachzudenken reagieren.
Mabels Pupillen sind riesig, ihre Augen fast schwarz. Das ist doch Wahnsinn. Ich will nach Hause. Ich will nach Hause! Ich will nicht hier sein und habe keine Ahnung, warum ich den Zirkus mitmache. Ich sollte den Habicht nicht losmachen, ich sollte einfach … Irgendetwas hinter und rechts von uns bewegt sich, Mabel sieht etwas fliehen.
Oh! Ich lasse die Flugriemen los. Und wünsche mir augenblicklich, ich hätte es nicht getan. Denn plötzlich ist mein Habicht frei. Mit ein paar Flügelschlägen taucht sie dorthin ab, wo sich eben noch etwas bewegt hat, das jetzt nicht mehr da ist, dann dreht sie Kreise; sie segelt wie ein Nachtfalter, ein riesiger Schwärmer, eine Habichtmotte. Sie gewinnt an Höhe.
Es ist so furchtbar still in der hereinbrechenden Dunkelheit. Ich sehe, wie sie den Kopf wendet, um zu mir zurückzublicken, wie sie die Schwanzfedern ausbreitet und beugt, um zu wenden. Ich bin in einer Art Dämmerzustand. Ich kann den Abstand zwischen mir und dem Habicht wie eine Wunde spüren. Sie dreht immer noch Kreise, sieht mich an und scheint unsicher, ob sie zu mir zurückkehren soll oder nicht. Dort steht Stuart. Da Christina. Und ich stehe hier und pfeife und rufe meinen Habicht zurück auf die Faust.
Die Dunkelheit, das Kreisen, die Unklarheit – all das ist neu und aufregend für sie. Sie überlegt, was zu tun ist. Das unbekannte Terrain. Der Einfallswinkel zwischen hier oben und dort unten, wo Helens Faust und Herz warten….”
Mehr zu dieser berührenden Geschichte liest du im ENGELmagazin März/April 2016
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Foto: EM/Archiv