Diese Engelgeschichte schickte uns Edeltraud Waclawik.
Es war Freitag der 16. Mai 2014. Ich erinnere mich noch genau, als wäre es gestern gewesen. An diesem Tag schien nach dem ersten Augenaufschlag nichts anders zu sein als an anderen Tagen. Wie fast jeden Morgen las ich vor dem Verlassen des Hauses die Affirma- tion aus dem umschlagbaren Kalender „365 Engelsweisheiten“. Sie lautete: „Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe.“
Zum damaligen Zeitpunkt waren mein Mann und ich Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes. Zu meinen Aufgaben gehörten neben organisatorischen Tätigkeiten auch die Betreuung von Kunden und die damit verbundene Erstbesuche. Wenige Tage zuvor bewarb sich Herr M. bei meinem Mann für ein Leerzimmer in einer von uns betreuten Wohngemeinschaft. Seine Frau lebte in einem Berliner Pflegeheim. Herr M. wollte seine Frau dichter bei sich haben. Ich telefonierte mit der Sozialarbeiterin der Einrichtung. Sie beschrieb Frau M. als orientierungslose, demente Bewohnerin, die nur wenige Schritte mit Hilfe eines Rollators gehen kann. Diese Aussage wäre schon ausreichend gewesen Frau M. nicht in der Wohngemeinschaft aufzunehmen. Mein Leitspruch zur Beurteilung einer Situation war und ist es immer noch: „Kein Gewicht auf Aussagen von Dritten geben“. Obwohl ich eigentlich so gar keine Zeit hatte, fuhr ich in das Pflegeheim. Mit der diensthabenden Pflegefachkraft besprach ich kurz mein Anliegen. Von ihr bekam ich eine völlig andere Beurteilung, die mit meinem nachfolgenden Kennenlernen übereinstimmte. Wieder wurde mir deutlich „ Nichts über Dritte!“ Frau M. saß im Gemeinschaftsraum, hatte Kaffee und Kuchen vor sich stehen. Ich begrüßte sie mit den Worten: „Ich wollte sie heute einfach mal besuchen.“ Frau M. war sichtlich erfreut, Gesellschaft zu bekommen. Die Pflegekraft bot mir auch eine Tasse Kaffee an, die ich dankbar annahm. Ich brauchte nicht lange zu fragen, denn aus Frau M. sprudelte alles, was ich gern von ihr wissen wollte. Nach dem Kaffeetrinken bat ich Frau M. mir ihr Zimmer zu zeigen, was sie auch sehr bereitwillig tat. Mit Hilfe ihres Rollators ging Frau M. zielstrebig zu ihrem Zimmer. Da sich die Türen schwer öffnen ließen, bat sie mich ihr zu Helfen. Sie setzte sich auf ihr Bett und beteuerte mir immer wieder, wie sehr sie sich über meinen Besuch freute. Dabei leuchteten ihre Augen. Für mich war klar, ich konnte mich von ihr nicht verabschieden ohne ihr den wahren Grund meines Besuches zu sagen. Sie war überglücklich mich kennen gelernt zu haben und auch darüber, dass sie in unser Wohngemeinschaft aufgenommen wird und wir uns in Kürze wiedersehen werden. Ich fuhr erleichtert ins Büro.
Auf dem Weg dorthin telefonierte ich mit meinem damals 23-jährigen Sohn Moritz. Schon an seiner Stimme hörte ich einen für mich bedrohlichen Unterton. Ich wollte kurz bei ihm vorbeischauen. „Das brauchst du wirklich nicht, hat ja alles so wie so keinen Sinn mehr“. Moritz lebte allein in seiner Zweiraumwohnung. Sein Lebensweg verlief nicht immer geradlinig. Die vielen Steine, oftmals sehr Große schaffte er nicht allein aus dem Weg zu räumen. Er verpatzte seinen Schulabschluss, schaffte den Lehrabschluss nicht und geriet in die Punkszene. An diesem Tag war er des Lebens überdrüssig, denn auch seine Freundin hatte ihn mit einem anderen betrogen. Alles, was ich auch sagte, erreichte ihn nicht und ich sollte ihn allein lassen. Am Abend telefonierte ich mit meinem älteren Sohn, der seit ein paar Jahren mit seiner Frau und seinen drei Kindern in der Schweiz lebt. Er spürte meine Verzweiflung, denn immer wieder musste ich weinen. „Mutti, ich setze mich ins Auto und komme ihn holen.“ Das ging ja nun wirklich nicht. Er konnte nicht ununterbrochen ca. 850 km hin und am nächsten Tag wieder zurück fahren, denn Moritz hatte ja keinen Führerschein. Nur schwer konnte ich ihm sein Vorhaben ausreden. Er willigte schließlich ein. Ich musste ja auch erst mit Moritz darüber reden. Diese Unternehmung wurde um ein paar Tage verschoben, dann hatte auch meine Schwiegertochter frei und beide konnten sich mit dem Fahren abwechseln. Moritz schien wieder einen Lichtblick zu sehen. Aber an dem Tag, an dem er fahren sollte, wollte er nicht mehr: “Am liebsten würde ich hierbleiben!“ Immer wenn etwas Neues und Ungewisses auf ihm zukam, machte er nur zu gern einen Rückzieher. Er wurde zum Bewerbungsgespräch und Probearbeiten beim Schwiegervater meines älteren Sohnes eingeladen. Dieser hatte ein Umzug-Unternehmen. Alles verlief erfolgreich und er konnte vorübergehend bei seinem Bruder und deren Familie wohnen. Im gleichen Haus wurde eine Wohnung frei und er lernte ein hübsches und sehr herzliches Mädchen kennen. Inzwischen ist Moritz selbst Familienvater eines einjährigen Sohnes. Ich bin meinen Engeln von Herzen dankbar, das sie mich an diesem Tag spürbar begleitet haben. Was so alles an einem Tag passieren kann?