Der Förster Peter Wohlleben gibt erstaunliche Einblicke in das Gefühlsleben von Tieren und Pflanzen.
Tiere empfinden wie der Mensch auch Trauer, Treue und Sinn für Gerechtigkeit. Auch Vögel wollen Spaß haben: Es gibt viele Berichte von Krähen, die Hunde necken. Dazu pirschen sie sich von hinten an und zwicken die Vierbeiner in den Schwanz. Natürlich ist der sich umdrehende Hund zu langsam für die Vögel, welche wenig später von Neuem mit dem Spiel beginnen. Sozialer Kleber wird hier kaum hergestellt, und irgendwelche Fähigkeiten müssen die Vögel auch nicht trainieren – schließlich gehört es nicht zu ihrem notwendigen Repertoire, sich vor umdrehenden Hunden in Sicherheit zu bringen. Nein, hier scheint etwas ganz anderes im Spiel zu sein: Die Krähen können sich offensichtlich in den Hund hineinversetzen und nachfühlen, dass er immer zu langsam ist und sich deshalb ärgert. Nur deshalb ist es so spaßig, ihn immer wieder herauszufordern und sich schon im Vorhinein auf seine Reaktion zu freuen. Eine Ausnahmeerscheinung ist das wohl nicht, wie etliche Internetvideos belegen.
Können Tiere trauern? Können Hirsche so etwas wie Trauer überhaupt empfinden? Sie können nicht nur, sondern sie müssen es sogar: Trauer hilft, Abschied zu nehmen. Die Bindung von Hirschkuh zum Kalb ist so intensiv, dass sie nicht von einer zur anderen Sekunde aufgelöst werden kann. Die Hirschkuh muss erst langsam verstehen lernen, dass ihr Kind nun tot ist und dass sie sich von dem kleinen Leichnam lösen muss. Trauernde Anführer gefährden jedoch ihre Sippe, denn sie bleiben in der Nähe ihres toten Kindes und damit auch in der Nähe der Gefahr. Eigentlich müssten sie das Rudel fortführen an einen sicheren Ort, doch die noch nicht endgültig gelöste Beziehung zum Nachwuchs verhindert dies. Keine Frage, unter solchen Umständen muss ein Führungswechsel erfolgen, und dieser geschieht ohne Rangkämpfe. Kurzerhand kommt eine andere, ähnlich erfahrene Hirschkuh zum Zuge und übernimmt die Leitung der Gemeinschaft.
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