Die Elefanten bringen ihm stolz ihre Babys. Und sie besuchen Lawrence Anthony jedes Mal, wenn er von einer längeren Reise nach Hause zurückkehrt. Er hat eine ganz besondere Beziehung zur Elefantenherde, die er selbst einst gerettet hat. Als er plötzlich stirbt, muss sich seine Witwe Françoise alleine um das Naturschutzreservat in Südafrika kümmern und sieht sich Herausforderungen gegenüber, denen sie sich nicht gewachsen fühlt.
Das Geld wird knapp, Wilderer machen sich die Probleme zunutze. Doch die Elefantenherde teilt ihre Trauer und entwickelt langsam eine neue und tiefe Beziehung zu ihr. Sie spenden ihr auf eindrucksvolle Weise Kraft, und so werden die Elefanten ihre engsten, einfühlsamsten Freunde und sie sowas wie ein Teil der Herde. Ihr bewegender Bericht:
Stürmisches Wetter versetzte unsere Elefanten immer in Unruhe, und dass Winde von Sturmstärke vorhergesagt waren, bedeutete: Es bestand die Gefahr umstürzender Bäume, die den Begrenzungszaun von Thula Thula einreißen konnten. Der Zyklon hatte sich schon seit Tagen angekündigt, und auch wenn wir nach einem heißen Sommer dringend Wasser benötigten, konnten wir ganz gewiss keinen Tropensturm gebrauchen. Wir sorgten uns um die Herde, aber mein Mann Lawrence und ich vertrauten darauf, dass sie von ihrer neuen Leitkuh Frankie an einen sicheren Ort irgendwo in der Weite des Wildtierreservats geführt würde.
Wir hatten die Elefanten schon seit einer Weile nicht mehr in der Nähe des Hauses gesehen und ich vermisste sie. Bei jedem Besuch gingen ihre Rüssel sofort in die Höhe. Bijou, meine Malteserpudelhündin und souveräne Prinzessin des Reservats, hasste es, nicht im Mittelpunkt zu stehen, und kläffte sie daher immer empört an. Die erwachsenen Elefanten ignorierten sie, aber die Jungen waren ebenso übermütig wie sie und jagten sie fröhlich den Drahtzaun um unseren Garten entlang – eine schlaksige Bande aus wedelnden Ohren und winzigen pendelnden Rüsseln.
Wie sehr wir ihre Besuche auch zu schätzen wussten, so wussten wir doch genau, dass es nicht gut für sie war, wenn sie sich in der Umgebung von Menschen so wohlfühlten. Das Risiko, dass Wilderer ihr Vertrauen ausnutzten, war zu groß, und daher planten wir, sie langsam von uns zu entwöhnen. Lawrence war keineswegs erpicht darauf, seine geliebte Nana aufzugeben, die ursprüngliche Leitkuh der Herde. Das beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Nana hatte ihrerseits ebenfalls keinerlei Absicht, ihre Bindung zu ihm aufzugeben.
Sie trafen sich heimlich. Lawrence parkte seinen zerbeulten Landrover immer einen guten halben Kilometer von der Herde entfernt und wartete. Nana fing dann seinen Duft auf, trennte sich leise von den anderen und trottete durch das dichte Buschland zu ihm, den Rüssel hoch erhoben zu einem Gruß voller Entzücken. Er berichtete ihr von seinem Tag und sie berichtete ihm zweifelsohne von ihrem, mit einem sanften, kehligen Kollern und Berührungen mit der Rüsselspitze.
Welch ein Unterschied zu der gequälten Kreatur, die damals, im Jahr 1999, in Thula Thula angekommen war! Wir hatten das Wildtierreservat gerade erst erworben. Damals gab es hier keine Elefanten und sie waren bestimmt nicht Teil unseres Plans. Als daher eine Beauftragte einer Tierschutzorganisation uns bat, eine gefährliche Herde von Elefanten aufzunehmen, waren wir entgeistert. Wir wussten nichts über die Haltung von Elefanten und verfügten auch nicht über die erforderliche Boma – das sicher umzäunte Gelände innerhalb des Reservats, wo sie bleiben konnten, bis sie sich an ihr neues Leben bei uns gewöhnt hatten. „Die Frau muss doch wissen, dass wir damit keine Erfahrung haben“, sagte ich zu Lawrence. „Warum wir?“ „Wahrscheinlich, weil sonst niemand blöd genug ist. Aber Frankie, wenn wir Nein sagen, werden sie erschossen, sogar die Babys.“
Ich war entsetzt. „Ruf sie an und sag Ja. Wir kriegen das schon irgendwie hin. Tun wir immer.“ Zwei Wochen später, es war mitten in der Nacht und es regnete sintflutartig, brachten drei riesige Sattelschlepper sie zu uns. Von der vollen Wucht dessen, was da ankam, wurde ich förmlich erschlagen. Zwei erwachsene Kühe mit Nachwuchs, zwei Jungtiere und drei kleine Tiere, keine zehn Jahre alt. Schon am folgenden Tag entdeckten sie eine Möglichkeit, die brutalen 8000 Volt der elektrischen Umzäunung zu umgehen, indem sie einen neun Meter hohen Tamboti-Baum daraufwarfen. Es gab einen Kurzschluss – und weg waren sie, auf dem Weg nach Norden in ihre ehemalige Heimat. Es dauerte zehn Tage, um die Herde zurück nach Thula Thula zu befördern. Zehn lange, erschöpfende Tage. Wir lebten von Adrenalin und Kaffee und bekamen sehr wenig Schlaf ab. Dass Lawrence es fertigbrachte, dass sie nicht erschossen wurden, grenzte an ein Wunder. Die örtlichen für Wildtiere zuständigen Behörden hatten jedes Recht zu verlangen, dass die Elefanten erlegt wurden. Sie mussten schließlich für die Sicherheit der Menschen sorgen. Wir wurden gewarnt, dass die Elefanten, sollten sie wieder entkommen, definitiv erschossen würden.
Der Druck, sie erfolgreich anzusiedeln, war extrem, und mein Leben änderte sich über Nacht. Hatte ich mir bisher Sorgen wegen Kobras oder Skorpionen gemacht, so lag ich nun wach und wartete auf die Rückkehr von Lawrence, vor Angst erstarrt, dass er bei seinem verzweifelten Versuch, die Elefanten dazu zu bringen, ihre neue Heimat zu akzeptieren, zu Tode getrampelt worden war. Nacht für Nacht blieb er so nahe an der Boma, wie er es wagte, sang zu ihnen, sprach mit ihnen und erzählte ihnen Geschichten, bis er heiser war. Mit zärtlicher Entschlossenheit und einer ordentlichen Portion Wahnsinn durchbrach Lawrence Nanas entsetzliche Furcht vor Menschen und gewann ihr Vertrauen.
Lesen Sie den ganzen Artikel im ENGELmagazin März/ April 2020.
Über die Autorin
Über die Autorin
In der Münchner Verlagsgruppe sind erschienen: Lawrence Anthony, Graham Spence. „Der Elefantenflüsterer. Mein Leben mit den sanften Riesen und was sie mir beibrachten“.
Francoise Malby-Anthony, Katja Willemsen. „Ein Elefant in meiner Küche. Was mir die Herde über Liebe, Trauer und Lebensmut beibrachte“.
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